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Moritzburg hat noch bis Dienstag Besuch aus Italien. Die Künstler malen im Freien, wie einst die Brücke-Maler.
07.08.2017
Von Beate Erler
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Moritzburg. Eigentlich würden sie jetzt irgendwo zwischen Lago Maggiore und dem Orta-See in Italien stehen und malen. Doch in diesem Jahr sind sie für das Projekt „Landina“ der italienischen Künstlerin Lorenza Boisi an den Dippelsdorfer Teich gekommen. Hier steht das „Rote Haus“, an dem sich vor gut 100 Jahren schon die berühmten Brücke-Künstler die Sommermonate versüßt haben. „Wie gefällt es euch hier“, fragt Eckehard Fuchs die italienischen Gäste. „Bellissimo“, antwortet Luca de Angelis, einer der vier Künstler.
Am vergangenen Donnerstag sind sie angereist und schon am Freitag haben sie „en plein air“, also im Freien ihre Staffeleien aufgebaut, um die Landschaft um den Teich zu malen. Die Arbeiten, die in dieser kurzen Zeit entstanden sind, hängen schon im Roten Haus auf zwei Etagen verteilt: Kunstdrucke, Aquarelle und Öl auf kleinen Leinwänden.
„Die Landina gibt es seit fünf Jahren“, sagt Eckehard Fuchs, der während des ebenfalls zum fünften Mal veranstalteten Moritzburger Kunstsommers am Roten Haus mit seiner Schwester Irene Wieland und seiner Freundin Paola Alborghetti hier wohnt und arbeitet. Das Künstlerpärchen ist schon viel herumgereist, unter anderem in den USA, Japan und Holland, aber eben auch in Italien. Durch ihre Freundin Lorenza Boisi kennen sie das Projekt „Landina“, für das Künstler aus ganz Italien zusammenkommen und in freier Natur malen. Eben wie die expressionistischen Brücke-Maler vor 100 Jahren. Hier am Roten Haus treten sie nun in Kontakt zu Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.
So wie Vera Portatadino aus der Stadt Varase, nahe Mailand. Mit ihren roten Locken sieht Vera nicht wie die typische Italienerin aus. In kurzer Jeanshose und rosa Shirt – beides voller Farbe – kniet sie über einer langen Papierbahn, die sie auf der Wiese direkt vor dem Teich ausgelegt hat. Einige zarte Sträucher und Blüten sind schon zu erkennen. Vera konzentriert sich nicht auf die Landschaft vor, sondern unter sich. „Am Anfang habe ich das gemalt, was ich direkt vor Augen hatte“, sagt die 34-jährige Künstlerin in einem Englisch mit italienischem Akzent. Davon war sie aber schnell gelangweilt, denn eigentlich malt sie lieber Bilder, die das Schöne aber auch Zerstörung, Gewalt und Tod zeigen. Bei einem Spaziergang über den Brücke-Weg, der direkt am Roten Haus startet, hat sie Blumenfelder entdeckt und sich entschieden zu malen, was sie unter sich sieht.
Mit schneller, leichter Hand setzt sie grüne Striche auf das Blatt. Bisher ist noch kein einheitliches Motiv zu erkennen. Was genau am Ende herauskommt, will sie auch gar nicht wissen: „Es ist eine Entwicklung und hängt davon ab, was sich um mich herum verändert“, sagt sie. Und das geht in der freien Natur sehr schnell. Gerade ist die Sonne noch da und setzt Lichtflecken auf das Papier, im nächsten Moment liegt es im Schatten.
Luca de Angelis steht etwas oberhalb des Teiches und hat eine Staffelei aufgebaut. Mit dicker Ölfarbe arbeitet er gerade an der Grundierung seines Bildes. Er spricht nur Italienisch, aber das ist kein Problem für Eckehard Fuchs, der durch die vielen Italienaufenthalte die Sprache fließend beherrscht. „Sie sind alle junge aufstrebende Künstler, die in Italien Galerien haben“, sagt er. Vera Portatadino zum Beispiel hat in London studiert und ihre eigene Galerie in Varase.
Einige der Werke der Brücke-Künstler werden heute zu extremen Preisen versteigert. So zum Beispiel die „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner, die für 30 Millionen Euro unter den Hammer kam. „In Italien ist es als Künstler aber nicht leicht“, sagt Vera Portatadino. Die Szene würde nicht sehr gefördert und gerade in den großen Städten ist das Leben sehr teuer. Deshalb wohnt sie etwa 40 Minuten von Mailand entfernt und gibt außerdem Kunstunterricht an einer Schule in Varase.
Das Problem des kleinen Budgets kennen auch die drei hiesigen Künstler. Da sie für das Kunstprojekt nur wenige Fördermittel erhalten haben, übernachten die italienischen Gäste bei Freunden und Bekannten in privaten Unterkünften. Auch sonst wünscht sich Eckehard Fuchs, dass hier am Roten Haus noch mehr passiert. „Es ist ein relevanter kunstgeschichtlicher Ort mit viel Potenzial“, sagt er.
Denn hier verbrachten die Brücke-Künstler mehrere Sommer zwischen 1905 und 1911. Das rote Badehaus war damals das bestimmende Element ihrer Zeichnungen und Gemälde. An diesem Ort wollten sie die Harmonie von Mensch und Landschaft und die wahre Natur des Menschen darstellen. Viele Bilder zeigen Akte und Badende im Dippelsdorfer Teich, wo heute nur ein einzelner Badegast auf seiner Luftmatratze liegt. Das vor einigen Jahren neu gebaute Rote Haus hat bisher keiner der Gäste verewigt.