Der Kunstsommer Moritzburg 2017 von Paola Alborghetti, Eckehard Fuchs und Irene Wieland eröffnet mit der informellen Ausstellung „Landschaftsbilder“ und wirft damit ein Streiflicht auf die Arbeit der folgenden drei Sommermonate am Roten Haus.
Aktivitäten im Innen und Außen, laden die Gäste zum verweilen ein.
Des weiteren werden Arbeiten der Künstler Martin Glomm (Frankfurt), Anne Hundhausen (Aschaffenburg) und Thomas Kabelitz (Berlin) zu sehen sein.
Es spricht die Kunstwissenschaftlerin Karin Weber.
Musik: Katharina Sommer, Flötenimprovisation
Ab 20 Uhr: Sommernacht am See mit Lagerfeuer
und DJ Duo Jan Bes & Kirneh (Funk/House)
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
was kann man sich Besseres wünschen, als dass man zusammenrückt, um über Kunst Türen zu öffnen, um Dimensionen einer freudvollen Gemeinschaft zu erschließen, Grenzen durchlässig zu machen, aus Ferne Nähe her, um Brücken zu bauen, die unsere Sprachlosigkeit aufheben. Und dann ist man mit Formen, getränkt von Farben konfrontiert, die jeder Mensch ohne Erklärungsbedarf für sich interpretieren kann, als Gleichnisse und Metaphern für Universum, Welt, Natur, für Prozesse, in die der Mensch eingebunden ist, für Wünsche, Hoffnungen, Träume, die sich aus Legenden und Mythen geformt haben und Bestandteil unseres kollektiven Gedächtnisses sind.
Wir befinden uns hier in einem zeitgenössischen Kunstgarten, der Morgen- und Abendträume, Unerhörtes und Unerwartetes auf wunderbare Weise zusammen führt. Der Betrachter kann die Reliquien einer kreativen Hingabe genussvoll bestaunen. Und dieses Staunen lässt uns verweilen, wenn wir die Prozesshaftigkeit, die poesievolle Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit durchschauen. Das ernsthafte künstlerische Tun ist eine harte, gefährdete Fahrt durch sich selbst. Das wissen alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler, ein Leiden, Wandern, Irren, Suchen nach der verborgenen Heimat, geborsten von Sprüngen, Ausbrüchen, Einsamkeit, aber immer aufgeladen mit dem Wissen um das Licht der Farben...
Wir befinden uns hier an einem magischen Ort, der Geschichte atmet. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts lebten hier am Roten Haus sommers Künstler der Brücke mit ihren Modellen ihre panerotischen Vision von der Verschmelzung von Mensch und Natur aus. Weilt man heute hier, dann findet man vielleicht zu einer beglückenden inneren Ruhe zurück und lässt die hektischen Verwirbelungen des Alltags hinter sich, lauscht wieder dem Gezwitscher der Vögel, genießt den Sommerwind, atmet tief durch und erfährt den Farbenrausch natürlicher Gegebenheiten, entdeckt die Veränderungen der Wasseroberfläche des Sees, je nach Lichteinfall und Wolkenbildung und ist vielleicht endlich wieder einmal bei sich. Es ist ein Ort der Kunst, der Begegnungen, der Kommunikation, des gemeinsamen künstlerischen Arbeitens geworden. Irene Wieland, die bereits 2012, mit der Präsentation der Dresdner Sezession 89, ihr Herz an dieses idyllische Fleckchen Erde verloren hat, kehrt nun zurück und hat sich ihren Bruder, den Künstler Eckehard Fuchs und dessen Frau, die Künstlerin Paola Alborghetti an die Seite gestellt, um mit befreundeten Kreativen aus Deutschland und Italien hier für drei Monate zu verweilen und zu arbeiten.
2015 entdeckte Irene Wieland (Jg. 1968) die Pleinairmalerei für sich neu. Sie war fasziniert von den naturgebundenen Stimmungen, dem Licht, den wechselnden Witterungsbedingungen, dem Verwelken und Erblühen und der Wiedergabe dieses intensiven Augenblicks einer vollkommenen sinnlichen Verschmelzung mit dem Gesehenen. Die aquarellierten Rohrfederzeichnungen auf kleinformatigem Pappelholztafeln verraten eine sensible Beobachtungsgabe der Phänomene in der Natur und geben einfühlsam atmosphärische Erscheinungen wieder, wobei sich die Ursprünglichkeit einer Freiluftmalerei mit der Widerspiegelung innerer Visionen verbindet und im Ausschnitt mit der künstlerische Gabe, zu abstrahieren. Es ist ein Genuss, den freien, malerischen Farbflächen zu folgen. Neben einer Tasche mit Pappelholzplatten gehören zu den Utensilien auch mit Wasser füllbare Pinsel, Pipetten mit Farben, Acryltusche und ein farbbeständiger russischer Aquarellkasten. Sie weiß, wie wertvoll jeder Moment ist und dass sich Veränderung in kürzester Zeit offenbart. Diese Stimmungen festzuhalten, ist ihr Ziel. Im Außenraum werden die Besucher mit monumentalen Fabelwesen, patinierten Korteen-Stahlschnitten,Flachfiguren, konfrontiert, die Elemente von Mensch, Tier und Pflanze in sich vereinen. Sie ttagenn sehr poetische Titel, wie „Hahnemann“, „Gluck-fermin“ oder „Springfisch und „Himbeerrot“. Im Innenraum sind es abstrakte Landschaften, in sich gerollte, farbig gefasste Stahl-Objekte, die den Blick fesseln. Irene Wieland und Eckehard Fuchs sind in eine Künstlerfamilie hineingeboren worden, somit sind sie seit Kindertagen mit künstlerischen Bildwelten konfrontiert worden. Es ist das erste Mal, dass sie gemeinsam in einem Kunstprojekt zusammenwirken. Eckehard Fuchs, Jg. 1975 studierte von 1993-2003 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden Malerei und Grafik, dem schloss sich ein Meisterschulstudium bei Prof. Ralf Kerbach bis 2005 an. Ganz Maler hat er sich mehr und mehr von der magischen Figur gelöst, um sich mit der durchlichteten Farbe, mit ihrer inneren Struktur, im Farbraum, die sich am Naturerlebnis reibt, zu verwirklichen. Das Bild an sich löst sich nunmehr von der klassischen Malerei und entfaltet sich im Raum, mitunter in Verbindung mit Spiegelungen, die in die unendliche Weite einer malerischen Ewigkeit weisen und die immerwährende Wiederkehr von Werden und Vergehen im Naturkreislauf auf sehr suggestive Weise implizieren. „Farbschleife“ nennt er den einen Schaukasten. In einem verdunkelten Raum im Obergeschoss tappt man dann vollends in die Falle des Künstlers „Trappola“ und erliegt der Imagination. Immer auf Reisen mit seiner Frau Paola Alborghetti, die er an der Dresdner Kunsthochschule während ihres Gaststudiums kennenlernte, lässt er sich gerne anregen von Begegnungen. Ein sehr intensives Erlebnis war vor zwei Jahren ein zweimonatiger Aufenthalt in Japan. Beide pendelten zwischen Nähe und Ferne. Eckehard Fuchs übernahm die traditionelle japanische Technik der Papierscharniere, mit denen Elemente von Paravans und Leporellos beweglich gemacht werden und entwickelte Leinwandscharniere, mit denen es ihm gelingt mehrteilige Bildteile, bis zu 360 Grad, räumlich zu arrangieren, so dass ein ganz privater Raum entstehen kann und sich seine Bildwelten dreidimensional strukturieren können. Seine expressive Handhabung der Farbe lässt surreal wirkende Verästelungen entstehen und offene, sehr sinnliche Flächensysteme. „Omphalos“ nennt der Künstler ein Raumgebilde, eine Halbkugel die sich aus fünfeckigen Bildtafeln zusammensetzt. Der Omphalos war ein phallischer Kultstein, der im Apollontempel in Delphi stand. Dieser markierte den Nabel der Welt. Der Begriff wird auch als Synonym für den Mittelpunkt oder den Nabel des Geschehens verwendet. Laut Pausanias war der Opferstein die Weltachse, die mythische Verbindung zwischen Himmel, Erde und Unterwelt. Eine wunderbares Gleichnis für den Ort an dem wir uns befinden. Eckehard Fuchs studierte ebenfalls Kommunikationsdesign, so ist es nicht verwunderlich, dass es ihm immer auch mit seiner Malerei, die er nunmehr räumlich inszeniert, um Kommunikation geht, um Kommunikation mit eigenen Innenbildern und mit der Wahrnehmung des Betrachters. Seine erste dreidimensionale Arbeit von 2011 ist im oberen Bereich des Roten Hauses zu sehen, sein „alter ego“ „ordines ordinarium“ eine figürliche Plastik, die seine Arbeitshosen und seinen Arbeitspullover trägt. Der Kopf und die Hände sind nicht sichtbar unter einer Schicht von Notizzetteln, die voller Zeichnungen aus dem Kopf zu quellen scheinen und irgendwann den ganzen Korpus bedecken werden. Es ist die Bilderflut im Kopf des Malers, die nach außen drängt, der er sich nicht mehr erwehren kann, die ihn für sich einnimmt, bis er eins mit ihr wird. Diese Transformation ist als Metamorphose ein wunderbares Bild für die kreativen künstlerischen Prozesse, die in den nächsten drei Monaten stattfinden werden. Paola Alborghetti, Jg. 1975, hat an der Kunstakademie in Mailand studiert und 2003 ein Erasmus-Gaststudium bei Prof. Ralf Kerbach an der Dresdner Kunsthochschule absolviert. Ganz Malerin, lässt sie sich spielerisch von der unendlichen Welt der Naturformen anregen, wobei die Formenvielfalt von Mineralien sie besonders fasziniert. Es können aber auch prähistorische Steinzeichnungen sein, die sie abstrahiert in maskenähnliche Porträts wandelt oder farbige Papierstreifen, die sie in die Arbeiten collagiert oder malerisch auf den Leinwänden fast. Das Werkzeug wird zum Bild, das Bild zum Werkzeug. Das eine geht in das andere über. „Autonomie des Abfalls“ nennt sie ihre Papiercollagen. Die Offenheit der Form, die Farb- und Bildschichtungen, der kontrollierte Zufall, der freie Prozess von formaler Freilegung und Abdeckung gipfelt in einem Farbrausch, der mitunter von dreidimensionalen Pappmacheeobjekten aufgebrochen wird. Die Formen kommen zu ihr aus dem Landschaftserlebnis und beinhalten ebenso archaische Mythen. So ist der ewige Kreislauf vom Werden und Vergehen in leuchtende Farbmaterie eingeschlossen. Gemeinsam wird sie mit Irene Wieland einen Rohrfederkurs leiten. Mit einer aus einem Schilfrohr der anliegenden Teiche geschnitztes Federrohr werden die Teilnehmer des Workshops die Landschaft zeichnerisch erkunden. Am Lago Maggiore in Italien finden jährlich Landschaftspleinairs „LANDINA“ statt. Paola Alborghetti hat die Organisatorin Lorenza Boisi eingeladen, die die LANDINA vom 1.-4. August in der Moritzburger Landschaft mit deutschen und italienischen Künstlern stattfinden lässt, um sowohl in ein malerisches, wie auch ideelles Gespräch zu gelangen, in Verbindung zur Traditionslinie der Brücke-Künstler.
Irene Wieland hat Anne Hundhausen (Jg. 1965) eingeladen, die sie während ihres Studiums in Offenbach kennenlernte. Die Künstlerin lebt in Aschaffenburg und porträtiert historische Persönlichkeiten, die für ihre Stadt von Bedeutung sind. 1880 wurde dort Ernst Ludwig Kirchner geboren, von dem zahlreiche Kinderzeichnungen überliefert sind. Sie wird am 11. August einen Vortrag über die Kindheit von Ernst Ludwig Kirchner in Aschaffenburg halten und lädt einen Tag später zu „EAT ART&TRAIN DRAWING ein, d.h. Kekse in Form einer LLokomotive werden gebacken und die Moritzburger Lößnitztalbahn wird gezeichnet. Eckehard Fuchs hat den Berliner Künstler Thomas Kabelitz (Jg. 1972) eingeladen, der ebenfalls in Dresden Malerei und Grafik studierte und ein Meisterschulstudium bei Prof. Ralf Kerbach absolvierte. Zu seiner künstlerischen Charakterisierung möchte ich den Kunsthistoriker Johannes Schmidt zu Wort kommen lassen: „(Die) Landschaftsgemälde von Thomas Kabelitz zeigen nicht einfach nur Ausschnitte dessen, was wir beim Verlassen der Städte links und rechts des Weges als „Natur“ wahrnehmen. Was an seinen Bildern auffällt, ist die Tatsache, dass sie fast immer ein Nirgendwo zeigen, Orte bei denen es nicht darauf ankommt, wo sie hingehören und ob sie topografisch lokalisierbar sein könnten. Insofern präsentiert er malerische Darstellungen einer verallgemeinerten Idee von Natur, welche für „Landschaft“ als Gesamtbegriff stehen könnte.“ Seine dunklen Bäume sehe ich persönlich als Gleichnis für das Menschsein, die Wurzerlbedürftigkeit und die Träume, in den Himmel zu greifen. Ein „Lebenssturm“. Am 7. Juli spricht der Künstler über sein Werk, die Kunst und seine Beziehung zur Natur. Einen Tag später kann mit ihm gedruckt werden. Geladen als Künstler ist ebenfalls Martin Glomm aus Frankfurt am Main, der sich seit 1988 mit expressiven Papierschnitten beschäftigt, denen er Worte, Wortpaare zur Seite stellt. Er spielt mit Deutungen und Bedeutungen und auf das wesenhafte reduzierte signifikante Formen und erzählt damit skurrile Geschichten über das Leben.
Der Ort, so zeitlos entrückt, wird die Künstlerinnen und Künstler beeinflussen, wird sie anregen, miteinander in den bildnerischen Diskurs zu treten, sich den Spiegelungen im See, den Bäumen und Gräsern, der hügeligen Landschaft mit spielerischen Lustgewinn, zu ergeben, einer natursymbolischen Lichtmalerei, die einer poetischen Konfession zugrunde liegt, nachzuspüren, ohne einer bestimmten Traditionslinie zu huldigen. Das bilderische Spiel in seiner Prozesshaftigkeit erkläre ich für eröffnet.
Ich wünsche allen Beteiligten von Herzen kreative Begeisterung und Hingabe! Mein Dank gilt auch den Organisatoren, die das Rote Haus wieder zu einem Ort der Kunst werden lassen!
Karin Weber
10.Juni 2017